Tatsuo Tanaka vom Institute of Innovation Research der Hititsubashi Universität in Tokio untersuchte in einem Working Paper den Zusammenhang zwischen dem Download-Verhalten auf der in Japan im Beobachtungszeitraum beliebten File-Sharing-Website „Winny” und den Verkaufszahlen jener CDs, die über die Tauschbörse herunter geladen wurden. Die Daten-Auswertung erbrachte keinen statistisch signifikanten Zusammenhang. Gleichzeitig wurde unter Studierenden der Keio Universität eine Befragung über deren Musikkonsum durchgeführt, die ebenfalls zeigte, dass File-Sharing nur einen sehr begrenzten Einfluss auf die CD-Verkäufe hat. Wie Tanaka zu diesen Ergebnissen kommt und wie diese zu bewerten sind, kann hier nachgelesen werden.

 

Untersuchungsdesign

„Winny“ war 2004 in Japan die beliebteste Musiktausachbörse. Sie arbeitet dezentralisiert ohne dazwischen geschalteten Server und erlaubt den Benutzern ihre Anonymität zu wahren. Zwischen Juni und November 2004 wurden die 30 meist verkauften CD-Alben und CD-Singles auf wöchentlicher Basis eruiert, was ingesamt 261 Alben und 289 Singles ergab. In diesem Working Paper werden allerdings nur die Album-Verkäufe betrachtet. So wurden die 261 Alben der Top-30 in der „Winny“-Tauschbörse gesucht, Mehrfachnennungen eliminiert und sodann die Zahl der Downloads berechnet. Daraus ergab sich, dass 65 Titel überhaupt nicht herunter geladen wurden. Der Rest von 196 Alben wurde daher einer weiteren Analyse bezüglich Downloadzahlen unterzogen. Da die Zahl der CD-Verkäufe nicht unabhängig von den Downloads der gleichen CD ist – je höher die Verkäufe desto höher auch die Downloadrate – kann keine direkte Korrelation berechnet werden. Es braucht also eine instrumentelle Variable, die im Modell als exogene Einflussgröße herangezogen werden kann. Für die CD-Verkäufe wählte Tanaka als exogene Variable die früheren Verkaufszahlen von Alben des gleichen Künstlers. Da solche nur für 149 Alben verfügbar waren, schränkte sich das Untersuchungssample weiter ein. Als erklärende (exogene) Variable für Zahl der Downloads wählte der Autor traditionelle japanische Lieder (Enka), Kinderlieder und Koreanische TV-Songs, die allesamt von Musiknutzern konsumiert werden, die nicht zu den intensiven File-Sharern zählen.

 

Kein Zusammenhang zwischen Downloadverhalten und Musikkäufen

Auf dieser Datenbasis wurde nun die Regressionsanalyse durchgeführt, aus der geschlussfolgert werden kann, dass es keinen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen den Downloads und Verkaufzahlen jener CD-Alben gibt, die im Untersuchungszeitraum in den wöchentlich Charts in Japan vertreten waren. Dieses Ergebnis wurde gestützt durch die Ergebnisse einer Befragung unter 501 Undergraduates der Universität Keio. Es wurde dabei ein Profil der CD-Käufe und der File-Sharing-Nutzung seit der Mittelschulzeit erhoben. Die Auswertung der Daten ergab sogar einen positiven Zusammenhang zwischen File-Sharing und CD-Käufen, was Tanaka auf einen Netzwerkeffekt (Empfehlungen unter Freunden) zurück geführt werden kann.

 

Tanaka Zitat „(…) did not find any negative effect of file sharing on CD sales.“ Und weiter: “Therefore, bans on file sharing software should be blocked from the perspective of economic welfare.” Eine Erkenntnis, die auch in Gerichteverfahren wie jenes gegen die Pirate-Bay-Betreiber einfließen sollte.

 

Kritische Würdigung

Es ist durchaus von Relevanz, wenn für den weltweit zweitgrößten Musikmarkt in einer Studie der Schluss gezogen wird, dass es statisch nachweisbar keinen Zusammenhang zwischen CD-Verkäufen und File-Sharing gibt. Die Untersuchung entspricht vom Design in etwa jenem von Oberholzer-Gee/Strumpf, allerdings ohne über ein so großes Datenvolumen zu verfügen, wodurch es der Untersuchung ein Repräsentanz mangelt. Wenn unterm Strich nur mehr 149 Alben in die Analyse miteinbezogen werden können, dann schränkt das die Aussagekraft leider sehr stark ein. Auch die parallel durchgeführte Befragung von Universitätsstudenten kann die Aussagekraft nur bedingt erhöhen. Wie wir anhand ähnlich gelagerter Studien bereits gesehen haben, erlauben sie nun einen sehr punktuellen Blick auf das Kauf- und Downloadverhalten und die Ergebnisse variieren stark nach Art und Inhalt der Befragung.

Dennoch liefert die Tanaka-Studie Hinweise darauf, dass die weit verbreitete Meinung, unautorisierte Downloads würden den Musikunternehmen schaden, nicht stimmen muss. Auch er vermutet einen Netzwerk- oder mit anderen Worten einen Sampling-Effekt, der in Teil 7 der Serie schon ausführlich besprochen wurde. Zudem zeigt auch Tanaka, dass es aus Sicht der allgemeinen Wohlfahrt gar nicht wünschenswert ist, File-Sharing-Systeme zu beseitigen.

 

Quellenangabe:

Tanaka, Tatsuo, 2004 Does file sharing reduce music CD sales?: A case of Japan. Working Paper 05-08 des Institute of Innovation Research, Hitotsubashi University in Tokio.

 

Da in diesem Teil die Ergebnisse einer japanischen Studie besprochen wurden, liegt es nahe, beim nächsten Mal einen koreanischen Beitrag von Seonmi Lee mit dem Titel „The Effect of File sharing on Consumer’s Purchase Pattern: A Survey Approach“ genauer unter die Lupe zu nehmen.

3 Gedanken zu “Wie böse ist das File-Sharing? – Teil 9

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