Einer meiner ersten Blogbeiträge im März 2009 war mit „Der Tonträger ist tot! Es lebe der Musikdownload?“ betitelt. Diese Einschätzung hat sich nur zum Teil bewahrheitet. Die Vinyl-Schallplatte feiert gegenwärtig fröhliche Urständ und die CD ist in so manchen Märkten immer noch der wichtigste Umsatzträger. Dennoch gibt es Märkte, wie z.B. in Schweden, wo die CD fast bis zur wirtschaftlichen Bedeutungslosigkeit herabgesunken ist. Vinyl-Schallplatte und CD hatten in Schweden 2015 einen Anteil am phonografischen Umsatz von gerade einmal 12,4 Prozent. (IFPI 2016: 92). In Deutschland hingegen ist die CD immer noch wirtschaftlich relevant. Die Umsätze mit physischen Produkten erreichten 2015 einen Anteil von 60,0 Prozent. Es wurden insgesamt noch 83,6 Mio. Stück CD und 7,6 Mio. Stück andere Tonträger (vor allem Vinyl-Schallplatten) verkauft (ibid: 81). Dennoch ist auch in Deutschland der Weg der CD zum nostalgischen Sammelobjekt und in die wirtschaftliche Bedeutungslosigkeit vorgezeichnet. Es nur eine Frage der Zeit, wie schnell sich dieser Prozess vollziehen wird. Eine internationale Analyse des CD-Marktes kann dabei Aufschluss darüber geben, welche unterschiedlichen Dynamiken in den einzelnen Ländern wirksam sind.

 

Das Schicksal der CD – eine internationale CD-Marktanalyse

Der globale phonografische Markt hat nach IFPI-Angaben von 1999 bis 2015 44,2 Prozent seines Umsatzvolumens eingebüßt, das aktuell auf einem Niveau von US$ 15,0 Mrd. liegt. Dieser dramatische Umsatzverlust ist durch den Wandel vom physischen zum digitalen Musikkonsum erklärbar. 2014 wurden von der IFPI erstmals höhere digitale als physische Musikumsätze IFPI gemessen (siehe Abb. 1).

 

Abbildung 1: Die globalen Umsätze der phonografischen Industrie (Großhandelsumsatz in Mio. US$), 1997-2015

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Quelle: Nach IFPI Recording Industry in Numbers, 1998-2015 und IFPI Global Music Report 2016.

 

Das CD-Segment

Die Zahlen belegen eindeutig, dass die Rezession am phonografischen Markt durch die schwindenden CD-Verkäufe bedingt ist. Während der CD-Absatz in der ersten Hälfte der 1990er Jahre mit durchschnittlichen Wachstumsraten von 20% förmlich explodiert ist, hat sich das Wachstum nach 1995 bereits abgeschwächt und damit das nahende Ende des Produktlebenszyklus der CD angezeigt. Im Jahr 2000 hat der CD-Absatz mit weltweit 2,4 Mrd. verkauften Einheiten seinen historischen Höhepunkt erreicht. Von da an ging es steil bergab und der globale CD-Absatz sank bis 2015 um 74,2% auf 569 Mio. Stück verkaufte CDs. Global betrachtet, hat sich der Rückgang im CD-Absatz seit 2005 beschleunigt. Während zwischen 2000 und 2005 das CD-Marktvolumen um 20,6% zurückgegangen ist, hat es sich zwischen 2005 und 2015 nahezu halbiert und ist von 2010 bis 2015 um weitere 41,3% eingebrochen.

 

Abbildung 2: Der globale CD-Markt von 1991 bis 2015 (Absatz in Mio.)

abb-2-globaler-cd-marktQuelle: Nach IFPI Recording Industry in Numbers, 1992-2015 und IFPI Global Music Report 2016.

 

Ein genauerer Blick auf die einzelnen nationalen Märkte macht unterschiedliche Entwicklungsdynamiken sichtbar. Während in Schweden zwischen 2000 und 2015 der CD-Absatz um satte 90% eingebrochen ist, waren es in Deutschland im gleichen Zeitraum „nur“ 59,3%. Ein Blick über Westeuropa und Nordamerika hinaus zeigt sogar, das in einzelnen Ländern der CD-Markt sogar gewachsen ist, wie z.B. in Indien mit einem Zuwachs von 137,8% zwischen 2000 und 2015. Allerdings ist dabei zu bedenken, dass der indische phonografische Markt noch in den 1990er Jahren stark von der Musikkassette dominiert war und der (legale) CD-Markt im Jahr 2000 noch sehr schwach entwickelt war. So hat sich auch in Indien nach einigen Jahren des Wachstums der CD-Absatz zwischen 2012 und 2015 von 41,6 Mio. Stück auf 21,4 Mio. fast halbiert (IFPI 2016: 98). Mit zeitlicher Verzögerung folgt Indien damit dem Trend der großen phonografischen Märkte, die allesamt seit 2000 dramatisch – gemessen an Absatzzahlen – geschrumpft sind: Frankreich (-70,0%), UK (-72,6%), Brasilien (-82,5%) und USA (‑87,3%).

 

Abbildung 3: Die Änderungsraten des CD-Marktes in ausgewählten Ländern, 2000-2015

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Quelle: Nach IFPI Recording Industry in Numbers 2000 und IFPI Global Music Report 2016.

 

Umterschiedliche Marktdynamiken

In der Betrachtung dieser drei Perioden – 2000 bis 2005, 2005-2010 und 2010 bis 2015 – lassen sich die unterschiedliche Dynamiken auf den nationalen CD-Märkten gut sichtbar machen. Einige Länder wie z.B. die USA und Spanien folgen dem globalen Trend mit einem relativ schwachen Rückgang zwischen 2000 und 2005, einem beschleunigten Rückgang von 2005 bis 2010 und einem sich abschwächenden Rückgang seit 2010. Andere Länder so wie Brasilien, Deutschland und Südkorea haben vor allem zwischen 2000 und 2005 die stärksten Absatzverluste hinnehmen müssen, um sich danach von diesem Absturz wieder zu erholen. In Südkorea ist der CD-Absatz zwischen 2005 und 2010 um 1,7% und von 2010 bis 2015 sogar um 3,7% wieder gewachsen. Wieder andere Länder – Indien, China und Südafrika – wiesen zwischen 2000 und 2005 sogar steigende Absatzzahlen auf. In den meisten Ländern aber wie z.B. in Australien, UK und Frankreich haben sich die Absatz-Rückgänge seit 2000 beschleunigt. Schweden ist in dieser Betrachtung ein Spezialfall. Zwischen 2000 und 2005 ist der CD-Absatz in diesem skandinavischen Land um lediglich 9,8 zurückgegangen. Von 2005 bis 2010 hat sich der jährliche Absatzrückgang durchschnittlich um 1,7% sogar noch verlangsamt, um ab 2010 mit jährlichen Absatzrückgängen von 25,7% regelrecht zu einem Kollaps des CD-Marktes zu führen, was natürlich mit dem Siegeszug von Musikstreaming und dem in Schweden beheimateten Spotify zu tun hat.

 

Abbildung 4: Die durchschnittlichen jährlichen Änderungsraten im CD-Absatz in ausgewählten Ländern, 2000-2015

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Quelle: Nach IFPI Recording Industry in Numbers, 2000-2015 und IFPI Global Music Report 2016.

 

So zeigt diese überblicksmäßige Analyse einiger nationaler CD-Märke, dass unterschiedliche Faktoren wie z.B. die Verfügbarkeit von CD-Playern und anderen Musikabspielgeräte, Internet- und Smartphone-Marktdurchdringung, Musikkonsumverhalten, demografische Besonderheiten und kulturelle Spezifika verschiedenartige Marktdynamiken bedingen. Es gibt daher keine einfache Erklärung für die Rezession am CD-Markt.

 

Schweden und Deutschland im Vergleich

Obwohl die deutsche Bevölkerung fast doppelt so groß ist wie jene von Schweden, weisen beide Länder sehr ähnliche wirtschaftliche und technologische Indikatoren auf. Die Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung (BIP) liegt in beiden Ländern bei rund US$ 48.000. Der Anteil der InternetnutzerInnen, Breitbandanschlüsse und aktiven Tablet-Computern an der Bevölkerung ist ebenfalls vergleichbar hoch. Auch die Pro-Kopf-Ausgaben für Musik sind in Schweden mit US$ 18,6 und Deutschland mit US$ 16,2 nicht signifikant verschieden. Einzig und allein bei der Smartphone-Marktdurchdringung liegt in Schweden mit einem Gerät pro Einwohner klar vor Deutschland mit einem Anteil von 84,4%. Davon aber abgesehen, bewegen sich Schweden und Deutschland auf einem sehr ähnlichen wirtschaftlichen und technologischen Niveau.

 

Abbildung 5: Schweden und Deutschland im Vergleich

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Nach: IFPI Global Music Report 2016: S. 81 und 92.

 

Es müssen daher andere Faktoren die unterschiedliche Dynamik auf beiden Märkten bedingen. Ein Blick in die Musikcharts des Jahres 2015 beider Länder liefert dazu erste Hinweise.

 

Abbildung 6: Die schwedischen und deutschen Top-10 Charts

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Nach: IFPI Global Music Report 2016: S. 81 and 92; rot markiert internationale Produkte, die gleichzeitig in beiden Charts zu finden sind.

 

Der Chart-Vergleich belegt, dass die Top-10 Singles in Deutschland und Schweden mehr oder weniger die gleichen sind. Erst ein Blick auf die Alben-Charts fördert auffällige Unterschiede zutage. Lediglich zwei internationale Star-Alben (von Adele und Ed Sheeran) können in beiden Top-10-Alben-Charts gefunden werden. Während die schwedischen Top-10-Alben von – bis auf eine Ausnahme – internationalen Stars stammen, wird die deutsche Hitliste von einheimischen KünstlerInnen dominiert, speziell von Schlager- und volkstümlichen Musik-InterpretInnen wie von Deutsch-Pop-Stars – wobei die Grenze zwischen diesen Genres fließend ist. Schlager bzw. volkstümliche Musik ist aber vor allem bei älteren MusikkonsumentInnen sehr beliebt, die immer noch gern CDs kaufen.

Im Bericht des Bundesverbands Musikindustrie in Deutschland wird ausgeführt, dass die Generation 50+ mit 38,3% den höchsten Anteil an den phonografischen Umsätzen verglichen mit anderen Altersgruppen hat (BVMI 2016: 30). Der Bericht bestätigt auch, dass die älteste Alterskohorte für 64% des Gesamtumsatzes im Schlagersegment und sogar für 66% im Klassiksegment verantwortlich zeichnet. Das sind Genres, die immer noch sehr relevant für den CD-Markt sind. Wenn wir nun auch die Alterskohorte der 40-49jährigen zu diesem Bild hinzufügen, zeigt sich, dass die Generation 40+ für fast 68% aller CD-Umsätze in Deutschland im Jahr 2015 verantwortlich zeichnet (BVMI 2016: 32-33). Wenn wir nun die wirtschaftliche Relevanz der Alben- und damit CD-affinen Musikgenres – Schlager/volkstümliche Music, Deutsch-Pop, Klassik und Jazz –, die 21% aller phonografischen Umsätze ausmachen (ibid: 39), dem Musikkonsumverhalten der älteren Alterskohorten gegenüberstellen, so können wir den Schluss ziehen, dass die älteren MusikkonsumentInnen für die immer noch recht hohen CD-Umsätze in Deutschland verantwortlich sind. Aufgrund dieser Tatsache muss auch für Deutschland mit einem weiteren Rückgang am CD-Markt in den nächsten Jahren ausgegangen werden, der sich dann in einem rückläufigen Gesamtumsatz niederschlägt, wenn der Einnahmenzuwachs beim Musikstreaming nicht in der Lage ist, die Verluste im CD-Segment und bei den Musikdownloads zu kompensieren. Im Vergleich dazu kann für den schwedischen phonografischen Markt von einem weiteren Wachstum ausgegangen werden, solange eben der Musikstreaming-Boom anhält. Der Vergleich des deutschen mit dem schwedischen CD-Markt zeigt, dass es keine einfache Erklärung für die Marktdynamik gibt, sondern makroökonomische, technologische, demografische und kulturelle Faktoren in die Erklärung miteinbezogen werden müssen, um zu verstehen, wie sich der phonografische Markt in den einzelnen Ländern in Zukunft entwickeln wird.

 

Quellen:

IFPI, 2016, The Global Music Report 2016, London.

Bundesverband Musikindustrie (BVMI), 2016, Musikindustrie in Zahlen 2015, Berlin.

 

 

3 Gedanken zu “Das Schicksal der CD – eine internationale CD-Marktanalyse

  1. Times, they are changing, das war doch Bob Dylan der das verfasst hat. Die Dramatik liegt darin, dass Musiker in der Ideologie der sogenannten Entscheider nur Steakholder sind, also unwichtig. Die Arroganz dieser selbst ernannten Elite war immer schon bildungsfern und Kultur zerstörend, egoistisch, unproduktiv und ineffizient. Die konnten noch nie was. Da wird der Bestand abgefrühstückt und dann tschö mit ö . Jetzt trifft es auch die Musik , die Kultur, oder das, was Corona noch davon übrig gelassen hat. Nachdem man die Vinyl Platten vom hohen Stuhle aus das Aus beschieden hatte war von diesen Nichtskönnern auch nichts anderes zu erwarten, Streaming ist Ausbeutung der Kulturschaffenden, das Geld verdienen ein paar arrogante Vollkretins. Aber das wird vermutlich nicht so bleiben können.

  2. Die sinkenden Verkäufe der CD haben auch andere Gründe. Irgendwann hat man alles von Klassikern wie Beatles, Pink Floyd, Einstürzende Neubauten, Kraftwerk, usw.

    Entweder gibt es viele Bands der 60er-80er Jahre gar nicht mehr, oder sie produzieren nur Re-Issues wie Kraftwerk, oder alle 1-2 Jahre mal ein wirklich neues Album wie die Neubauten.

    Im Bereich der Soundtracks bringen nur die Sammlerlabels wirklich neue und innovative Soundtracks heraus, bzw. Collectors Editionen von durchaus gefragten Klassikern, wie z.B. Superman IV, Planet of the Apes IV oder V.
    Aber die Preise von 30-50 Euro sind heute für viele nicht mehr zu stemmen. Oder man lässt sich mal eine CD zum Geburtstag oder Weihnachten schenken.
    Anfang der 90er hatten wir einen Wirtschaftsboom, da verkaufte sich fast alles gut, insofern sind die Jahre 1990-95 ( trotz der Mini Rezession 93 ) ein schwieriger Vergleichsmaßstab.

  3. Für Streaming und Download habe ich mich bisher nicht erwärmen können, weil die Qualität zu weit weg ist von der CD.
    Ich würde zumindest bezüglich Download sofort umdenken, wenn man FLAC in Original-CD-Qualität als untersten Standard anbieten würde.
    Der Download der Cover, Backcover und der Booklets gehört da auch dazu – in der Auflösung die einem Scam mit 600dpi und einer Qualität, die JPEG-Qualitätsstufe 10 im Photoshop entspricht.

    Übrigens hört man den Unterschied zwischen CD und mp3, aac, wma, vorbis und wie sie alle heißen sehr wohl:
    – weicher nicht so scharfkantiger Klang aufgrund fehlender hoher Frequenzen
    – verstärkter Stereo-Effekt zu Reduzierung der leiseren Töne im leiseren Kanal
    – Verminderung bzw. sogar Beseitigung der Kanaltrennung bei den Tiefen.

    Ich denke,
    dass junge Leute Streaming vor allem deshalb nutzen, weil es billiger als CD ist.

    Auch Download
    ist manchmal billiger als CDs, wenn man sich nur einzelne Titel eines Allbums herunterlädt,
    wobei man allerdings (derzeit) mit minderwertiger Qualität Vorlieb nehmen muss.

    Streaming hat neben der mangelhaften Klangqualität noch den Nachteil der nicht garantierten Verfügbarkeit der Musik.
    Das ist leider auch ein Problem bei CDs da die Plattenindustrie bisher nicht die CDs nach Bestellung produziert.

    Es kann doch heutzutage kein Problem sein, eine CD-Maschine mit den Daten der herzustellenden CDs und der dazu gehörigen Anzahl der Kundenbestellungen zu füttern und das zu einem Endverbraucherpreis von 5 bis 7 Euro pro CD zu realisieren.

    Anders ausgedrückt:
    Ich will mir eine CD dann kaufen, wenn mir bekannt geworden ist, dass die mir gefällt.
    Ausverkauft ist heute nicht mehr zu akzeptieren.

    p.s.
    Wann war das doch gleich, wenn Amok-Koma von Abwärts als CD veröffentlich wird?

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